Volle Miethöhe?
Ob zehn Prozent einer Summe viel oder wenig sind, hängt von der Situation und vom Betrachter ab. Beim Trinkgeld etwa mögen zehn Prozent vom Geber als schon großzügig, vom Nehmer als noch angemessen bewertet werden. Bei Wohnungen können Abweichungen bis zu zehn Prozent zwischen der tatsächlichen und der vertraglich vereinbarten Fläche sehr schnell die Gerichte beschäftigen.
Damit das nicht zu oft geschieht, hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) für eine "Zehn-Prozent-Bagatellgrenze" entschieden. Innerhalb dieser seien Abweichungen zwischen geschriebener und wirklicher Wohnfläche nicht erheblich, entschied der BGH.
Im konkreten Fall ging das zu Lasten einer Hamburger Mieterin. Sie hatte gegen die saftige Erhöhung ihrer Miete von 360 auf 432 Euro geklagt, weil die Vermieterin dieses Verlangen auf eine falsche Flächenangabe stützte. Statt der im Vertrag angegebenen 55,75 Quadratmeter betrage die tatsächliche Wohnfläche nur 51,03 Quadratmeter.
"Betrügern Tür und Tor geöffnet"
Die Klage blieb jedoch in allen drei Instanzen erfolglos, weil die Abweichung unterhalb von zehn Prozent und damit laut BGH "innerhalb der Toleranzgrenze" lag. Deshalb habe die Vermieterin bei der Berufung auf die ortsübliche Vergleichsmiete die falsche, aber vertraglich vereinbarte größere Wohnfläche zugrundelegen dürfen.
Dieses Ergebnis veranlasste den Deutschen Mieterbund (DMB) zu einer äußerst harschen Richterschelte. Kaum war das Urteil verkündet, da erklärte Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten schon, es öffne "Betrügern Tür und Tor". In der Konsequenz bezahle die unterlegene Mieterin "ab sofort 36,63 Euro pro Monat oder 439,56 Euro pro Jahr für nichts", rechnete er vor. Es sei unerträglich, dass Vermieter mit barem Geld belohnt würden, die bei der Festlegung der Wohnungsgröße im Mietvertrag zu ihren Gunsten rechneten. Das Ergebnis sei auch deshalb absurd, weil die ortsüblichen Quadratmeterpreise per Mietspiegel und Gutachten "akkurat bis hinter die zweite Kommastelle errechnet werden müssen".